DIALOG.FÖRDERUNG.PARTIZIPATION.

Eine Sache der Freiheit

Jasmin Mazraani

Ich, Tochter arabischer Flüchtlinge, bin in Deutschland aufgewachsen. Hier wird Freiheit zum höchsten Wert erhoben, hier kann man sich durch Bildung auszeichnen, eine gute Arbeit haben und seine Meinung sagen, wie es einem passt. Hier leben Menschen mit Geschichte, die über die Welt reicht. Hier haben Menschen gelebt, die die ganze Welt veränderten und zu den Erben unserer Zeit gehören. Man braucht hier nicht zu hungern, weil es immer jemanden gibt, der in existentieller Not solidarisch und ausreichend gibt. Hier gebietet die höchste Schrift, die für alle bindend ist, die Achtung der Würde des Menschen, der Schutz vor Diskriminierung und die Auslebung seiner Anschauung. Hier ist es anders, als das Land, aus dem meine Eltern geflüchtet sind. Aber wir nahmen auch davon was mit. Aufgewachsen nun in sorgenloser kindlicher Freiheit, versorgt mit Essen und Bildung, umherlaufend in den Bahnen des deutschen Mädchens, kam irgendwann der Tag, an dem ein Stück Stoff diese Sorgenlosigkeit und Sicherheit wandelte.

Die Religion, die wir mitnahmen, war so fremd an diesem Ort. Das Kopftuch ist scheinbar ein Drehpunkt jeglichen Handelns und Verhaltens geworden. Es ist mit so vielen Bedeutungen beladen, die es eigentlich gar nicht hat. Es ist eine Fläche, auf die Unterdrückung und Erdrückung geladen wird. Es ist einzig dieses Tuch, durch das man definiert wird, ob man gehorsam oder ungehorsam ist, gefesselt oder frei, treu oder hintergehend, offen oder verschlossen, gebildet oder ungebildet, akzeptiert oder abgelehnt, prinzipientreu oder prinzipienlos,… ob man gut oder schlecht ist.

Das Sein dreht sich nur darum, und es kann entweder nur als das Gleich- oder das Anderssein bestehen. Aber wie kann es sein, dass dieser Stoff eine so überwältigende Umschlagskraft hat? Dass es Leute, die zuvor verbunden waren, voneinander entfernt? Dass es von dem fernhält, was Freiheit auszuleben meint? Dass es wohl Ursache allen Übels ist? Dass es zu einer Sache der Unfreiheit deklariert wird? Dass es von Bildung abhält? Dass es ein Symbol des Hasses wurde? Dass es ein Freischein für die Missstimmung eines Missgestimmten darstellt?

Ich, Tochter arabischer Flüchtlinge, habe diese Gefühle der Unterdrückung, des Hasses, der Entfernung, der Ablehnung, der Beleidigung und des Zwangs in Deutschland erlebt, als ich mich mit reinster Freiheit, Überzeugung, Bewusstsein und Wissen für das Kopftuch und meine Religion entschieden habe. Es war und ist eine Sache der Freiheit. Das Grundgesetz postuliert höchste menschliche Eigenschaften, aber an die Menschen sind sie noch nicht gelangt.

Das Anders-Sein hat so viele Ausdrucksformen, und doch teilen diese Formen eine Bedeutung des Fremden. Der Mensch ist Feind dessen, was er nicht kennt, wie Ali ibn Abi Talib und Goethe schon erkannten. Für viele ist der Bestand von Unwissenheit und somit eines Feindes der Sicherheit näher, als die Akzeptanz des Anders-Sein. Es sind die Menschen, die aufgrund ihrer Angst, Unwissenheit, Ablehnung und Verbitterung eine Sache der Freiheit zu einer Sache der Unfreiheit und des Übels erklären. Es ist nicht dieses Tuch, das dieses tut.

Ich, Tochter arabischer Flüchtlinge, bin in Deutschland aufgewachsen, ein Land, in dem höchste menschliche Eigenschaften erreicht werden können, und dafür sollten alle Menschen jeglicher Anschauungen bestrebt sein.

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