Im Prozess der Integration spielen nur zwei Parteien: Die Aufnehmer und die Aufzunehmenden. Je nach Bildung, Zustand, (sozialem) Status und weiteren solcher Bedingungen, wächst/schrumpft jeweils die Verantwortung, die dem Aufnehmer oder dem Aufzunehmenden zuzumuten ist.
Der Zustand und Intellekt beider Parteien sorgt für die Regulierung ihrer Wechselwirkungen: Ist der Aufnehmer (das aufnehmende Land) geschwächt bzw. stark belastet, wächst die Verantwortung des (stärkeren) Aufzunehmenden.
Ist der Aufnehmer jedoch besonders stabil, belastbar und fähig, so übertrifft die ihm zuzumutende Verantwortung die des (schwächeren) Aufzunehmenden.
Die größere Verantwortung obliegt jedoch im Regelfall immer dem Aufnehmer als Empfänger, Einführer, Organisator und Leiter der Integration.
Ist der Aufnehmende stark genug, so besitzt er sogar einen gewaltigen Einfluss auf die Mentalität und auf das Handeln seines Aufzunehmenden. Was ist damit gemeint?
Ich werde anhand des Beispiels Berlin präziser. Berlin ist seit Jahren Mittelpunkt der regelmäßig aufflammenden Integrationsdebatte, die immer wieder den Begriff „Parallelgesellschaft“ hervorruft. Stellen wir hier beide Parteien gegenüber:
Der Staat eines europäischen Leistungsträgers, positives Vorbild der europäischen Integration (Prozess des immer engeren europäischen Zusammenschlusses) und eines der wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt auf der einen Seite: Deutschland.
Auf der anderen Seite in erster Linie angeworbene Gastarbeiter der damals nicht so starken Türkei (und Nachkommen), später (Bürger-) Kriegsflüchtlinge aus arabischen Ländern (und Nachkommen), politische Flüchtlinge aus Afrika und Asien, sowie Armutsflüchtlinge und Landlose, sowie alle anderen Zuzügler durch Push- und Pull-Faktoren aus Ländern, für deren Push-Faktoren zum großen Teil westliche Länder verantwortlich sind.
Welchen Einfluss die soziale, finanzielle und auf Bildung basierende Ausgangssituation beider Parteien fortwährend auf die Integration in Berlin hat, besprechen wir, nachdem wir den Auftakt der Eingliederung der ersten großen Einwanderungswelle geklärt haben; die Anwerbung der türkischen Gastarbeiter.
Deren Anwerbung wurde gesetzlich beschlossen. Sie kamen also, da Deutschland sie anwarb und sie benötigte, durften anfangs nur in Kreuzberg leben, später auch in Orten wie Wedding und Neukölln – Orte, die aufgrund der Nähe zur Mauer ungern von Deutschen bewohnt wurden und viele leerstehende Wohnungen beherbergten.
Ihnen wurde also die Wahl genommen, wohnen zu dürfen, wo sie wollen. Stattdessen mussten sie alle beisammen leben. Aufgrund der Menge der Gastarbeiter, die angeworben wurden, kann man sich denken, wie eine recht kleine verwahrloste Fläche aussieht, nachdem sie von zig Menschen einer Herkunft bewohnt wird. Die Gesellschaft, in die sie gezogen wurden, war keine Gesellschaft. Es herrschte im leerstehenden Kreuzberg ein gesellschaftliches Vakuum. Da, wo keine (gesunde) Gesellschaft existiert, gründen diejenigen, die hinziehen, ihre eigene Gesellschaft als zwangsläufigen Ersatz („Parallelgesellschaft“). Aus zwei Gründen nachvollziehbar: Denn die Gesellschaft erleichtert das Leben der Menschen und jeder Mensch hat den Drang, ein möglichst angenehmes Leben führen, besonders da, wo es zu Beginn kompliziert ist: Im Ausland. Die Türken füllten dieses gesellschaftliche Defizit, indem sie unter sich zusammengepfercht zwangsweise eine eigene Gesellschaft samt eigener Organisation und Kultur bildeten. Die eigene Kultur und eigene Art der Organisation ist schließlich die vertrauteste. Sie fanden keine andere Möglichkeit und machten das beste aus dem, was sie vorfanden. Sie gründeten im Laufe der Jahre ihre Märkte, besuchten türkische Ärzte, brachten ihre Kinder zur Schule. Eine gesunde Gesellschaft mit einem Fehler, für den sie nicht wirklich was konnten: Die deutsche Sprache kam zu kurz.
Das Gesetz, das Gastarbeiter nach zweijährigem Aufenthalt zurückkehren ließ, wurde aufgehoben. Es passierte also etwas, wovon man nicht ausging. Naheliegend ist aber, dass man sich als Anwerbender auch auf den Fall vorbereiten muss, dass Gastarbeiter plötzlich bleiben könnten. So wurde Kreuzberg, später Wedding und Neukölln, immer türkischer. Verwandte, die ins Ausland ziehen, neigen angesichts der fremden Situation dazu, vorzugsweise in Gegenden zu wohnen, die von „Gleichen“ bewohnt werden. Der vorübergehende Zuzugsstopp wurde mit der Geburtenrate nutzlos gemacht. Kreuzberg wurde immer türkischer. Die nächsten, und zwar die Araber, zog es ebenfalls in jene Gegenden.
An dieser Stelle treten diejenigen dazwischen, die an die Integrationsbereitschaft der Migranten appellieren und behaupten würden: „Wer sich als Migrant der Integration bewusst ist, der wird produktiv und nutzt das Sozialsystem nicht aus und meidet Gegenden, die die Integration erschweren.“
Und ich bin ebenfalls absolut dagegen, dass man das System ausnutzt.
Doch kommen wir zu diesem „Zustand“, von dem ich anfangs schon sprach, der die Zumutbarkeit über das Tragen von Verantwortung wachsen und schrumpfen lässt. Kommen wir ebenfalls zu diesem „gewaltigen Einfluss (des Aufnehmers) auf die Mentalität und das Handeln (des Aufzunehmenden)“, den ich erwähnte.
Was haben Gastarbeiter, Kriegs- und Armutsflüchtlinge, also der größte Teil unter den Migranten, gemeinsam? Sie stammen aus elenden, armen und verwahrlosten Verhältnissen. Sie stammen aus Ländern, in denen damals – und zum Teil selbst heute – Universitäten, Schulen und all das, was den Intellekt und die Bildung eines Menschen erst aufbaut und fördert, durch Kriege gestört und zerstört wurden und werden. Und hatte man Zeit und Ruhe, die Schule zu besuchen, so hatten viele kein Geld dafür.
Wer wird Gastarbeiter? Der, der in seiner Heimat keine Arbeit fand und – um nicht zu verhungern – willig war, sein Land zu verlassen, ein ganz neues Leben zu beginnen, um Geld zu verdienen.
Kombinieren wir all diese Hintergründe mit der Option eines Sozialsystems, so passt beides wie die Faust auf das Auge. Ein Mensch, der notgedrungen aus seiner Heimat flüchtete, und den das Leben regelrecht schlapp machte, der wird nicht auf die Chance verzichten, mit möglichst wenig Aufwand, alles besorgt zu kriegen.
Das soll keine Ausnutzung des Systems rechtfertigen. Das soll nicht passieren. Ich kann die Behauptung: „Der Wille zur Integration muss da sein.“ nachvollziehen.
Wie festgestellt, gibt es jedoch Hintergründe, die dem Willen im Weg stehen könnten. Was tun wir also, wenn sich keiner integrieren will? Mein Vorschlag: Die oberste Integrationsleitung, die von Deutschland ausgehen muss, muss dem Willen bzw. dem fehlenden Willen der Migranten die Möglichkeit entziehen, ohne Integration in Deutschland all das erreichen zu können wie mit der Integration. Dann wächst auch der Ansporn unter den Migranten, man würde den Sinn der Integration erkennen.
Wieso wurden so viele Migranten arbeitslos und welchen Einfluss hat das auf ihre Kinder? Die Türken sollten nach zweijähriger Gastarbeit wieder zurückkehren. Dieser Beschluss wurde jedoch aufgehoben und viele lebten fortan ohne Arbeit, während andere Erfolg hatten. Flüchtlinge dagegen hatten als Asylbewerber keine Berechtigung zur Arbeit.
Ihre Kinder wachsen mit den Sozialhilfeleistungen als Normalität auf. Sie missverstehen es oft, sehen es nicht als Option an, die nur dann genutzt werden sollte, wenn jede Möglichkeit zum Arbeiten ausbleibt.
Wir müssen gemeinsam die Integration definieren und uns beidseitig an ihr beteiligen.