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Der weltweite Ruf nach Gerechtigkeit

Inas El-Rachid

Der gesamte Nahostkonflikt und vor allem die Angriffe auf Gaza sind immer noch in aller Munde – wie im Rotationsprinzip alle Jahre wieder, wenn Israel mit einer seiner Militäraktionen dem „Terrorismus“ der Palästinenser „ein Ende setzen“ will und dabei selbst lediglich in den „Selbstverteidigungsmodus“ geht. Immer wieder hagelt es dann kleinlaut internationale Kritik. Und immer wieder bleiben die Kriegsverbrechen unbestraft.

Auch während dieses Ramadans startete Israel eine Militäroffensive – „Zuk Eitan“  (Fels in der Brandung). Es ist die vierte Offensive (das Wort „Krieg“ wäre in Anbetracht der Unverhältnismäßigkeit unangemessen) innerhalb von acht Jahren gegen Gaza, die auch dieses Mal kaum an Asymmetrie zu übertreffen ist. Das Ergebnis: 1865 tote Palästinenser, davon  426 Kinder,  9563 Verletzte und insgesamt sind 79% aller Opfer Zivilisten.[1] Bei solch dramatischen Opferzahlen sind Reaktionen wie die von Chris Gunness (UN-Sprecher), bei der er vor laufender Kamera unter Tränen zusammenbricht, wenig erstaunlich.[2]

Gaza – das größte Freiluftgefängnis der Welt

Die Unverhältnismäßigkeit, mit der die israelische Armee gegen Gaza vorgeht, wird dann besonders deutlich, wenn man sich einige Eckdaten über den Gazastreifen vor Augen hält:

Die Bevölkerung des Gazastreifens hat weder Armee, hochmoderne Luftwaffen, Bunker, noch ein Raketenabwehrsystem oder Frühwarnsysteme, die ihnen Schutz bieten. Dieses Gebiet gehört zu den am dichtesten besiedelten Orten der Welt und wird von Israel mit schärfsten Sanktionen belegt. Das gesamte Gebiet ist von einem Sicherheitszaun mit vereinzelten Grenzübergängen umgeben, die von Israel und Ägypten kontrolliert werden – einige Stellen sind sogar durch eine Betonmauer geblockt.  Auch die Luft- und Seezugänge unterliegen strengsten Kontrollen. Das Grenzregime verhindert den Güter- und Personenverkehr und isoliert die Menschen in Gaza von der Außenwelt – es führt letztlich zu der hohen Arbeits- und Perspektivlosigkeit der Menschen. Um nicht völlig abgeschottet zu sein, umgehen Tunnelsysteme die Sperranlagen. Den Drang nach Freiheit kann eben keine Mauer erdrücken.

Weltweite Demonstrationen gegen die Angriffe auf die Zivilbevölkerung

Wenn man mit der Lage der in Gaza lebenden Menschen einigermaßen vertraut ist, sind die internationalen Proteste umso verständlicher. In den Demonstrationen wird der Unmut über die Angriffe auf Moscheen, UN-Schulen, Behinderteneinrichtungen, Krankenhäuser, Flüchtlingscamps, Märkte, Cafés und am Strand spielende Kinder laut. Diese Angriffe auf die Zivilbevölkerung werden aber anscheinend nicht von allen verurteilt. Bundeskanzlerin Merkel zum Beispiel betont, dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung hätte und die Sicherheit Israels ohnehin deutsche Staatsräson sei.

Welche Lehren ziehen wir aus der Tragödie des Zweiten Weltkrieges?

Bedeutet diese deutsche Staatsräson also eine bedingungslose Unterstützung? Blinde Loyalität? Sind das die Lehren, die man aus der Tragödie des Zweiten Weltkrieges gezogen hat? Ist das tatsächlich die Haltung der Bundesregierung? Versucht man so, sein historisches Gewissen zu erleichtern und eine Schuldminderung zu erreichen, wo man damit doch eine Schuldmehrung erzielt? Schweigt man also zu neuem Unrecht, um altes Unrecht zu reduzieren?

Nein, es muss Schluss sein mit dieser Mitläufermentalität! Die Lehre, die wir alle aus der Zeit des Nationalsozialismus ziehen müssen, ist es, nicht zu neuem Unrecht zu schweigen. Denn mutig ist nur, der das Unrecht beim Namen nennt. Und das „Recht des Stärkeren“ ist das größte Unrecht. Deutschland sollte sich dahingehend seiner besonderen Verantwortung in der Weltpolitik, insbesondere des Nahostkonflikts, bewusst sein.

In Anbetracht der hohen Zivilopfer steigt besonders das Unverständnis der etwa vier Millionen Muslime und anderer Teile der deutschen Bevölkerung über die Haltung der Bundesregierung. Sie können die ignorante Zurückhaltung über das Leid ihrer Landsleute oder Glaubensgeschwister nicht verstehen. Denn das einzige, das fast noch schlimmer ist als die vielen unschuldigen Toten, ist die Verdrehung von Recht und Unrecht. Die Tatsache, dass die Opfer übergangen und die Täter in Schutz genommen werden, gleicht einer Verhöhnung der Opfer.

Der Ruf nach Gerechtigkeit und Frieden – für alle Völker

Wenn der Ruf nach Gerechtigkeit also nicht von der Politik erhört wird, distanzieren sich viele zu Recht von der Bundesregierung. Sie fühlen sich nicht vertreten und sehen ihre Meinung über die Geschehnisse nicht geäußert. Dass diese Resignation der Politik aber nicht unbedingt die Haltung der Bevölkerung widerspiegelt, zeigt die bunte Zusammensetzung der zahlreichen Demonstrationen in ganz Deutschland.

Die Haltung der Bundesregierung ist ein schwerwiegendes Grundsatzthema, das nicht nur Migranten oder Muslime, die sich für die Palästinenser einsetzen, betrifft. Es ist für alle gerechtigkeitsliebenden und rechtschaffenen Menschen, die sich gegen jegliche Art der Unterdrückung aussprechen und für den Frieden einsetzen, bedeutsam.

In diesem Sinne sind unsere Gedanken und Gebete bei den Menschen im Irak, Libanon, in Syrien, Palästina, Myanmar, Xinjiang, Afghanistan, der Ukraine und allen unterdrückten Seelen dieser Welt.


[1] http://www.euromid.org/en/article/591/Israeli-Assault-on-Gaza-By-Numbers-in-30-Days

[2] http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/raketenangriff-auf-maedchenschule-un-sprecher-bricht-weinend-vor-kamera-zusammen_id_4029538.html

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